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Schwäbische Zeitung vom 05.12.2014

Neue Schul­form beschäftigt Lehreranwärter sehr

Manches bleibt gleich (dass sich Schüler melden), manches wandelt sich - so ist es auch in der Schullandschaft.  Foto: Shutterstock

Meckenbeuren - Die Schullandschaft wandelt sich in Baden-Württemberg, 

Eigene Ausbildung zum Gemeinschaftsschullehrer gibt es bislang nicht - Positive Erfahrungen am Schulseminar

Von Roland Weiß 5. Dezember 2014

Meckenbeuren - Die Schullandschaft wandelt sich in Baden-Württemberg, Stichwort Gemeinschaftsschule (GMS). Wie aber wirkt sich dies auf die Lehrerausbildung aus? Die Frage lässt sich lokal anbringen - ist Meckenbeuren (mit der Hügelstraße in Kehlen) doch seit 1980 Standort für eines von 14 staatlichen Schulseminaren im Land.

Schulseminar für GHWRS, schon der Name, respektive das Kürzel, besagt's. "Grund- und Hauptschule mit Werkrealschule" - die Gemeinschaftsschule ist in diesem Wort weiterhin nicht berücksichtigt. "Wir bilden keine Gemeinschaftsschul-Lehrer aus", sagt denn auch Seminardirektor Karl Handschuh. Was bei ihm kein "aber" gegen die neue Schulform ist, sondern Umsetzung von Vorgaben: Eine spezielle Ausbildung für Gemeinschaftslehrer gibt es im Curriculum (bislang) nicht. Schulungen haben die "Lernbegleiter" - so die Bezeichnung für Lehrer an der Gemeinschaftsschule - aber sehr wohl erfahren. Allerdings liefen die nicht über die Schulseminare, sondern wurde zentral vom Kultusministerium an der GMS Künzelsau gestaltet.

Was wiederum dem Selbstverständnis der Seminare entspricht - dass sie sich aus den politischen Prozessen um die Schulformen heraus halten. Zugleich aber bilden sie Lehreranwärter aus, die immer öfter an Gemeinschaftsschulen unterrichten. Ein Spagat, der auch denen bewusst ist, die ausgebildet werden. In ihrer Perzeption, so Karl Handschuh, erkennen die angehenden Lernbegleiter denn auch Unterschiede: "Das staatliche Schulseminar vermittelt ein anderes Unterrichtsbild als das, was wir an unserer Gemeinschaftsschule erleben" - diesen Eindruck ernst nehmend und thematisierend hatte es am Meckenbeurer Seminar vor den Herbstferien einen "runden Tisch" gegeben. Auf Initiative der Lehreranwärter waren sie mit Mentoren, Seminarleitung, Ausbildern, Schulräten und Norbert Zeller (Leiter der Stabstelle Schulentwicklung beim Kultusministerium) zusammengekommen, um Erfahrungen auszutauschen.

Stabiles Interesse an der Gemeinschaftsschule hält an

Für die Lehreranwärter mochte da die Frage hereinspielen: "Passt mein Alltag zur Prüfung?" In der Prüfungsordnung ist die Gemeinschaftsschule nicht gesondert berücksichtigt - das dürfte sich auch mit der neuen Ordnung (ab 2016) nicht ändern, hat Handschuh als Signal erhalten. Allerdings werde jetzt schon bei der Zusammensetzung der Prüfungskommission darauf geachtet, dass ein Mitglied selbst an einer Gemeinschaftsschule tätig ist.

Wobei eines außer Zweifel steht: "Die Gemeinschaftsschulen werden für uns immer bedeutsamer", sagt Seminardirektor Handschuh. Nicht nur, dass ihre Zahl steigt: In gleichem Maße werden die Haupt- und Werkrealschulen weniger. Verständlich daher, dass die verstärkte Individualisierung in der Lehrerausbildung eine Forderung aus dem Kultusministerium darstellt, der sich das Seminar stellt.

Die Schulstruktur verändert sich also massiv, wobei Handschuh ein "stabiles Interesse" der Lehreranwärter an der Gemeinschaftsschule ausmacht. "Wir haben kein Problem, die Stellen zu besetzen", erklärt er mit Blick darauf, dass alle hiesigen Gemeinschaftsschulen mit Lehreranwärtern besetzt sind. Zu beobachten sei zudem, dass Gemeinschaftsschulen bevorzugt jene einstellen, die auch schon zuvor als Lehreranwärter dort Erfahrungen gesammelt haben. "Das ist auch für die Schule bedarfsgerecht", versteht Karl Handschuh diesen Gang der Dinge.

Im Fazit und in Handschuhs Worten: "Wir machen sehr positive Erfahrungen mit den Gemeinschaftsschulen", zumal diese sehr am Austausch mit dem Seminar interessiert seien.

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Schwäbische Zeitung vom 13.11.2014

Kost­bars­tes Gut: Viel­falt der Mensch­heit

Thementag in Kehlens Halle schaut auf Integrationsförderung
an deutschen Schulen


Die interkulturelle Klasse der Ludwig-Dürr-Schule aus Friedrichshafen präsentiert in Kehlens
Halle 
das Ergebnis ihrer Theaterarbeit zu dem Thema "Heimat".



Daniel Frirdich, Lehrer in Tettnang und Mitglied der regional sehr bekannten
Gruppe "extra-large", 
hat eigens für die Veranstaltung den "vielfalt-rap" komponiert.
Fotos: pr

Meckenbeuren - "Vielfalt gefällt - und das gemeinsam", unter diesem Slogan hat am Dienstag in Kehlens Karl-Brugger-Halle ein Thementag für rund 140 Lehrer stattgefunden, der sich damit beschäftigte, wie Integration an Schulen besser gelingen und vermittelt werden kann. In Zusammenarbeit mit den Kooperationspartnern (Baden-Württemberg Stiftung und Ministerium für Integration) war es den Organisatoren vom staatlichen Schulseminar (GHS) in Meckenbeuren möglich, qualifizierte Referenten für die Workshops zu gewinnen, die sich allesamt mit der Integration in Schulen beschäftigten. Zum Programm gehörten außerdem ein Theaterauftritt der Ludwig-Dürr-Schule Friedrichshafen zum Thema "Heimat", ein "Vielfalt gefällt Rap" von Daniel Frirdich (von "Extra Large", Lehrer in Tettnang) und ein Referat von Frido Brunold zur "Bedeutung von interkulturellen Kompetenzen in der Lehrerausbildung".

"Schule ohne Rassismus"

Mit innovativen Projekten sollten Bürger dafür sensibilisiert werden, wie Integration gelingen kann. Frido Brunold (Leiter AK Interkulturelle Kompetenzen am Seminar) bezeichnete die Vielfalt der Menschheit als ihr kostbarstes Gut. "Sie anzuerkennen und wertzuschätzen, ist unsere Verantwortung für Gegenwart und Zukunft." Zwar sei der Spalt zwischen Schülern mit und ohne Migrationshintergrund noch immer nicht geschlossen, aber anlaufende Projekte wie "Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage", bei denen die Akzeptanz und der Respekt gegenüber allen Kindern und Jugendlichen im Fokus steht, seien ein großer Schritt in die richtige Richtung. Auch jüngere PISA-Ergebnisse würden dies bestätigen.

Die Vielfalt der Kulturen müsste anerkannt werden, anstatt Unterschiede in Sprachen, Traditionen und Religionen weiter als Problem zu definieren. "Wie bedeutsam dieser neue Blickwinkel ist, belegen wissenschaftliche Studien eindrucksvoll", unterstrich Brunold seine Argumentation und verwies gleichzeitig auf einige der Workshops, die sich mit "diesem Pfad der Interkulturellen Bildung" beschäftigten.

In einem der Workshops zum Thema "Deutsch als Zweitsprache" wurde beispielsweise darauf eingegangen, wie die Fähigkeit einiger Schüler, eine andere Sprache zu sprechen, zur vielfältigen und abwechslungsreichen Gestaltung in den Unterricht miteinbezogen werden könne. "Das Anderssein der anderen als Bereicherung des eigenen Seins begreifen" laute die Devise für die Zukunft unserer Gesellschaft, fasste Brunold diesen Ansatz zusammen.
 

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Schwäbische Zeitung vom 30.07.2014

„Bildung ist kein Sparbuch, sondern die Schatzkiste“

88 junge Lehrer erhalten ihre Empfangsurkunde am Staatlichen Seminar in Kehlen
  

Geschafft: 88 junge Lehrer erhalten ihre Empfangsurkunde am Staatlichen Seminar in Kehlen. 

Helga Wiechert

Kehlen sz „Endlich geschafft, nach vier bis 20 Jahren sind wir was“, so haben es die jungen Lehrer vom Ausbildungskurs 33 am Montagnachmittag in Kehlens Karl-Brugger-Halle verkündet und sich über ihre bestandenen Prüfungen gefreut. Direktor Karl Handschuh und Vertreterin Sieglinde Pott haben ihnen die Zeugnisse ausgehändigt und zur bestandenen Prüfung gratuliert. Wie in jedem Jahr war auch diese Verabschiedung wieder ganz besonders herzlich, mit den Sketchen vom Forum 33 und dem Chor. Bleibt zu wünschen, dass die jungen Lehrer diese Herzlichkeit weitertragen zu den Schülern, die sie in Kürze aufs Leben vorbereiten werden, und dass sie diese auch für sich bewahren. Bestmöglich wurden sie aufs Lehrerleben vorbereitet, bescheinigte ihnen der Direktor, wenngleich heute nicht mehr so gewiss sei, was das heiße. „Es ist nicht mehr viel wie vor 20 Jahren“, erzählte er, denn „die Schule ist im Wandel“. Das bringe der Wandel der Gesellschaft mit sich.

Große Herausforderung

Handschuh machte deutlich, wie groß die Herausforderung ist für die jungen Lehrer, die nicht nur die Lehrinhalte zu fördern hätten, sondern auch die sozialen Kompetenzen. Die Kinder auf eine Zukunft vorbereiten müssen, die sie selbst noch gar nicht kennen. „Wer das alles zu leisten vermag“, lobte Direktor Handschuh, „der hat höchste Anerkennung verdient. Das wäre eine Anstellung, die noch für viele ungewiss sei“. Überrascht aber war er nach der Zeugnisausgabe dann doch, bei der er von vielen Anstellungen seiner Schützlinge erfuhr. „Bejammert den Wandel in der Schule nicht“, gab er ihnen mit auf den Weg, „gestaltet mit und ärgert euch nicht nur über fehlende Anstellungen, sondern fordert sie ein! Denn Bildung ist kein Sparbuch, sondern die Schatzkiste.“

„Jetzt sind Sie Lehrer, genießen Sie diesen Augenblick“, freute er sich mit ihnen und zitierte Sokrates: „Wer glaubt, etwas zu sein, hat aufgehört, etwas zu werden“. Handschuh zeichnete stellvertretend für alle aus dem Ausbildungskurs, die sich ganz besonders engagiert hatten, Liz Huang und Markku Sparwald aus und sagte ihnen Dankeschön. Ihnen und allen, die dabei waren, den Lehreranwärtern, die heute Lehrer sind, die Mentoren und Schulleiter und das ganze Kollegium am Staatlichen Seminar für Didaktik und Lehrerbildung.

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Südkurier vom 29.07.2014

Nach den Sommerferien geht's los

Meckenbeuren -  Verabschiedung von 88 jungen Lehrern in der Karl-Brugger-Halle nach 18 Monaten Ausbildung am Staatlichen Seminar in Meckenbeuren.

Die 88 Absolventen des Ausbildungskurses 33 haben ihr Ziel, Traumberuf Lehrer, erreicht. Sie dürfen künftig an Grund-, Haupt- und Werkrealschulen unterrichten.  Bild: schwier

Noch einmal tief durchatmen, sich entspannt zurücklehnen und vielleicht noch in den wohlverdienten Urlaub fahren, bevor es nach den Sommerferien so richtig losgeht. Denn dann starten 88 junge Lehrer in den Schuldienst an zahlreichen Grund-, Haupt- und Werkrealschulen im Ländle. Gestern erhielten sie in der Karl-Brugger-Halle in Kehlen im Rahmen einer kleinen Feierstunde ihre Abschlusszeugnisse.

Damit beenden sie ihre 18-monatige Ausbildung am Staatlichen Seminar für Didaktik und Lehrerbildung in Meckenbeuren. Im Februar vergangenen Jahres haben sie vor Seminardirektor Karl Handschuh im Kulturschuppen am Gleis 1 den Eid auf die Verfassung des Landes Baden-Württemberg geschworen und damit ihre Referendarzeit offiziell begonnen. Nun durften die 88 (von ursprünglich 106) Teilnehmer des Ausbildungskurses 33 aus den Händen von Karl Handschuh und Seminarschulrätin Sieglinde Pott ihre Urkunden entgegennehmen. Ein letztes Mal wurden ihre Leistungen beurteilt und benotet. Ab September sind die frisch gebackenen Lehrer dann selbst für Zensuren und Zeugnisse zuständig.

Nach mindestens sechs Semestern Studium, das mit dem ersten Staatsexamen abgeschlossen wurde, und den 18 Monaten Vorbereitungsdienst, in dem das zweite Staatsexamen abgelegt wurde, sind die Lehramtsanwärter am Ziel. „Endlich haben wir's geschafft. Endlich sind wir was,“ brachte es Simon Wimmer, Vertreter des Seminar-Forums, auf den Punkt. In den darauffolgenden Sketchen „Die Lehrprobe“ und „Werdegang Referendar“ erhielten die Zuschauer einen äußerst amüsanten Einblick in den lebhaften Alltag von Lehramtsanwärtern.

Da werden Problemschüler schon mal kurzerhand mit Bauchschmerzen versorgt, damit sie bei der anstehenden Lehrprobe nicht für Unruhe sorgen können. Mindestens sechs Methodenwechsel in einer Unterrichtsstunde sollten es schon sein, viele bunte Stationskarten sind ebenfalls von Vorteil und natürlich darf die Kleiderfrage bei der Prüfung nicht vernachlässigt werden. Doch auch kritische Töne schwangen in den Sketchen mit. Erst wer sich selbst treu bleibt, seinen eigenen Stil findet und nicht bloß alles ungefragt nachmacht, kann ein guter Pädagoge werden, lautete die Botschaft zwischen den Zeilen.

Über die sich stetig ändernden Anforderungen an den Lehrerberuf sinnierte Seminardirektor Karl Handschuh in seiner Abschiedsrede. „Alles ist im Fluss. Schule ist im Wandel. Ein Lehrerleben ist nicht mehr so, wie es vor zehn, zwanzig Jahren zu sein schien,“ erklärte Handschuh. Doch er gab seinen Absolventen auch gleich den Rat, diesen Wandel nicht nur zu beklagen, sondern ihn vielmehr aktiv mitzugestalten. „Nehmen sie die vielfältigen Herausforderungen dieses Berufes an, aber achten sie darauf, dass sie gesund bleiben. Bringen sie sich mit ihren ganz speziellen Interessen und Fähigkeiten ein,“ forderte Handschuh.

Zwischen den einzelnen Programmpunkten sorgte der Seminarchor, der den krankheitsbedingten Ausfall seines Leiters Thomas Locher souverän meisterte, für musikalische Unterhaltung. Für ihr besonderes Engagement im Seminar wurden Liz Huang und Markku Sparwald von Direktor Handschuh ausgezeichnet. Sina Rettich schloss als Kursbeste mit der Traumnote 1,0 ab.

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Südkurier vom 05.07.2014

Insel des Humanen im Konzentrationslager

Friedrichshafen -  „Und der Regen rinnt...“:
13. Theaterpädagogischer Ausbildungskurs beschäftigt sich mit
dem KZ Theresienstadt

Man weiß nie, wer die Nächste ist: 28 junge Lehrerinnen und Lehrer versetzen sich in die Rollen von Kindern, die im KZ Theresienstadt interniert waren. Fast alle wurden in Auschwitz ermordet. Trotzdem gab es Versuche, im KZ eine „normale“ Kindheit zu leben.  
Bild: Schall

Am Ende ist es still. Das Stück wirkt nach. Dann erst breitet sich starker Beifall aus. Mit „Und der Regen rinnt...“ ist dem 13. Theaterpädagogischen Ausbildungskurs am Seminar für Didaktik und Lehrerbildung in Meckenbeuren eine bewegende Eigenproduktion gelungen. Unter der Regie von Olek Witt und der Gesamtleitung von Jürgen Mack entstand ein Stück, das nicht einfach aus der Luft gegriffen wurde: Es behandelt den Holocaust, und zwar aus der Warte derjenigen, die ihn überlebt haben. Die Beteiligten auf der Bühne haben sie kennengelernt, im Rahmen der Theatertage am See. Die Erinnerungen dieser Menschen, die als Kinder im KZ Theresienstadt interniert waren, bilden zusammen mit dem Theresienstädter Tagebuch von Helga Pollak-Kinsky die Grundlage dieses Stücks. Durch die Begegnung bekamen die 28 jungen Lehrerinnen und Lehrer, die bei der Premiere im Kiesel agieren, einen persönlichen Zugang zu diesem Thema. Da ist es verständlich, dass eine der Spielerinnen nach dem Applaus weinen muss.

Aber das ist das Erstaunliche an diesem Abend; Regisseur Olek Witt hat mit Jürgen Mack, den musikalischen Leitern Almut Stöckl und Jochen Stuppi sowie der Choreographin Citlali Huezo Sánchez und allen Spielern ein 80-minütiges Theatererlebnis erarbeitet, in dem Schrecken und Hoffnung einander die Waage halten. Vor allem ein Abend, in dem der Schrecken aufscheint, ohne durch Gewalt ausgemalt zu werden. Es gibt keine Misshandelungen, es gibt keine menschenverachtenden Nazi-Schergen. Und doch entsteht keine harmonisierende Geschichtsklitterung.

„Und der Regen rinnt...“ nutzt die gewohnte Spielfläche des Kiesels ebenso wie den „Keller“ darunter. Hier unten befinden sich die Stockbetten jenes „Zimmers 28“ in Theresienstadt, dessen Leben Helga Pollak-Kinsky in ihrem Buch schildert. Eine Livekamera projiziert die Bilder der kauernden Mädchen nach oben, deren Reihen sich mit der Zeit lichten: Nach Auschwitz werden sie gebracht. 45 der 60 Mädchen dieses Zimmers wurden dort ermordet.

Dieser Unmenschlichkeit setzt das Stück sein „Trotzdem“ entgegen. Es gab Versuche, den Kindern im KZ ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. Es gab inmitten dieser Hölle verbotene Unterrichtsstunden, es gab gemeinsames Singen und Tanzen, Theateraufführungen und Konzerte, organisiert von Lehrern und Künstlern, die ebenfalls interniert waren. Wir nach dem Krieg geborenen Generationen sind es gewohnt, die Entwicklung eines Sinns für Kunst, Kreativität und Schönheit an die Bedingung von Freiheit und Sicherheit zu knüpfen, an einen nach vorne offenen Horizont. Doch diese Aufführung zeigt, wie viel wichtiger dieses Streben ist, wenn alle begünstigenden Voraussetzungen fehlen. Wenn gefangene Kinder nach draußen schauen in die nahe und doch unerreichbare Natur, in die sie sich sehnen und die wie eine innere Vision erscheint: Die Kindergruppe wird in eine Videoprojektion wogender Bäume getaucht, die sich in ein rotes Lodern verwandeln: Unheilsahnung und brennende Freiheitssehnsucht in einem.

Es gibt kein Atemholen dieser Kinder durch Singen, Tanzen oder Malen, das nicht durch einen Schuss, einen bellenden Wachhund oder eine Sirene unterbrochen würde. Es gibt aber auch keinen Überfall durch diese unleugbare Wirklichkeit, auf den nicht von Neuem damit begonnen wird, die Bedingungen einer menschenwürdigen Kindheit zu errichten. Regisseur Olek Witt versteht das Stück auch als „Hommage an die uns fern gewordene jüdische Kultur“. Sie nimmt auf der Bühne nicht nur Gestalt an in Form jüdischer Musik auf Klavier, Harfe und Akkordeon, sondern auch im Tanz: Die Kinder reichen einander die Hände und bilden im Tanz ein endlos geflochtenes Band, das immer neue Formen annimmt und darüber doch nicht auseinander bricht – ein Sinnbild dafür, dass die jüdische Kultur über den Versuch ihrer Ausrottung fortbesteht.

Dieses Stück setzt nicht auf starke Affekte und berührt gerade deswegen: Hier wiederholt sich keines der vertrauten und längst erstarrten KZ-Bilder. KZ-Klischees blenden das Menschliche aus und zeigen das Unmenschliche. Diese Produktion widmet sich umgekehrt gerade den Inseln des Humanen, um deren dauernde Bedrohung man weiß – und so rührt es, wenn es am Rande zwischen einem Jungen und einem Mädchen zu einer ersten Liebe kommt, einer Begegnung und einer Berührung, die zugleich die letzte sein wird: Nach diesem Treffen wird der Junge abtransportiert werden, und er weiß es. Olek Witt findet in dieser Szene starke Bilder, in denen Liebe und Abschied, Schönheit und Schrecken eins sind: Der Koffer, in dem der Junge der Freundin das vom Mund abgesparte Essen mitbringt, fasst zugleich seine Habe für die Deportation nach Auschwitz. Und der Zaubertrick, mit dem er sie betört, gipfelt in einem Banner mit der Aufschrift „Vergiss mich nicht“.

Das Stück „Und der Regen rinnt...“ ist voller Poesie; in seinen Bildern, seinen Texten, seinen Liedern. Poesie ist also dort, wo man sie nicht vermutet. Schon unmittelbar nach dem Krieg war die Behauptung falsch, es könne nach Auschwitz kein Gedicht mehr geschrieben werden – wo doch Gedichte und Lieder von denen am meisten gebraucht wurden, die dort umkamen. Sie wurden so sehr gebraucht, dass sie von den Deportierten selbst geschrieben wurden, wie dieser Liedtext: „Gott selbst hat uns getrennt, mein Kind / Du sollst nicht Leid, noch Elend sehn / Sollst nicht auf steinigen Gassen gehn / Und der Regen rinnt, und der Regen rinnt“. Dieses Lied, das dem Stück den Titel gibt, ist in Theresienstadt entstanden, seine Autorin starb im Gas. Nur zur Harfe von einer der Spielerinnen gesungen, zählt es zu den stärksten Momenten dieses Abends.

Auch indem solche Hinterlassenschaften aufgegriffen und belebt werden, wird das Stück zur Hommage an die jüdische Kultur. Und diese Kultur wird durch die Hommage wiederum bereichert: Letztlich wurde die Lieddichterin ermordet, um ihre Kultur auszulöschen; aber dennoch besteht das Lied fort. Das Stück als Ganzes entspricht so jenem Tanz, von dem schon die Rede war: Es flicht ein Band und schließt gewaltsam gerissene Lücken.

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Schwäbische Zeitung vom 04.07.2014

Ein szenisches Denkmal für Kraft und Willen der Eingesperrten

Theaterpädagogischer Kurs des Seminars Meckenbeuren führt im Kiesel zurück ins KZ Theresienstadt

Alltag im KZ Theresienstadt: Voller Angst hören die zum Abtransport
Aufgerufenen ihre Namen. 

Helmut Voith 

Friedrichshafen   sz  Der Premierenbeifall im voll besetzten Kiesel des k42 hat auf sich warten lassen, keiner der Zuschauer wollte zu schnell die aufgebaute Stimmung zerreißen. Denn das Stück „Und der Regen rinnt... – Erinnerungen an eine ferne Zeit“, das am Donnerstagabend dort Premiere hatte, ist eine bewegende Hommage an die Kinder, Erzieher und Künstler im KZ Theresienstadt. Zusammen mit Regisseur Olek Witt haben die 28 jungen Referendare und Lehrer des 13. Theaterpädagogischen Ausbildungskurses am Seminar Meckenbeuren – 25 Frauen und drei Männer – in kurzer Zeit gemeinschaftlich den szenischen Bilderbogen erarbeitet, der den im KZ Eingesperrten ein Gesicht gab, ihre Gedanken, ihre Kraft, ihren Überlebenswillen und ihre Sehnsucht nach Freiheit greifbar werden ließ.

Persönliche Schicksale berühren weit mehr als nackte Zahlen, mögen sie noch so hoch sein. Eine Dreizehnjährige, die vom Heimweh, von der Sehnsucht nach der Mutti, von Angst- und Hoffnungsträumen erzählt, lässt die ganze Grausamkeit erfahren. Zugleich ist zu erleben, wie Erzieherinnen den Kindern mit Spielen, Malstunden, Tanz und Musik den Aufenthalt erträglicher machen, sie für eine glückliche Zeit danach vorbereiten wollten. Ebenso spürbar ist der Wille der Erwachsenen, ihre Menschenwürde zu bewahren.

Die Gespräche mit überlebenden Zeitzeugen, die an Ostern zu den Theatertagen am See gekommen waren, hatten zur Auswahl des Stoffes geführt. Als Textgrundlage dienten besonders  Helga Pollak-Kinskys „Theresienstädter Tagebuch 1943-1944“ und Hannelore Brenner-Wonschicks Geschichte der „Mädchen von Zimmer 28“ im Mädchenheim L 410, wo damals auch die hoffnungsvolle Kinderoper „Brundibár“ aufgeführt wurde.

Jürgen Mack, der „als Anfang vom Rückzug“ die Regie dem erfahrenen Theaterpädagogen Olek Witt überlassen hatte, war als Projektleiter auch am Bühnenbild beteiligt. Auf raffinierte Weise wurden auf einer weißen Papierbahn, die von der Rückwand bis an die Zuschauer heranreichte, Videoszenen und reale Theaterszenen miteinander verwoben, am Boden wurde gespielt, während hinten die im Nachbau des Zimmers 28 gefilmten Szenen abliefen: Mädchen, hineingepfercht in Stockbetten, wo sie einander Stütze waren. Von dort kamen Einzelne oder alle auf die Bühne, setzten um, was ein Sprecher am Rand aus dem Tagebuch von Vater Pollak las oder junge weibliche Stimmen aus dem Tagebuch seiner Tochter Helga oder aus anderen Aufzeichnungen lasen. Mit stimmiger Musik (Almut Stöckl und Jochen Stuppi) an Klavier, Akkordeon und Saxofon, Chören und Gesangssoli begleiteten Teilnehmerinnen die Szenen, Choreografin Citlali Huezo Sánchez hatte mit den „Kindern“ Tänze einstudiert, ausgelassene Spiele tobten über die Bühne, jäh unterbrochen durch aggressives Hundegebell oder die Nennung von Namen derer, die abtransportiert werden sollten. Da war das ganze für kurze Zeit vergessene Grauen wieder da.

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Schwäbische Zeitung vom 06.05.2014 

Warum Migrantenkinder es mit Deutsch so schwer haben



Ingrid Maurer mit dem von ihr verfassten Band IV der "Meckenbeurer Schriften": Die Titelfotos zeigen Kinder und Jugendliche, die mit ihren Familien als Einwanderer nach Deutschland kamen. 

Roland Weiß

Meckenbeuren sz 60 Orte zeigen, wie Miteinander gelingen kann, und Meckenbeuren ist dank des Schulseminars einer davon. „Vielfalt gefällt – und das gemeinsam!“ ist das Vorhaben überschrieben, das das Schulamt Markdorf eingereicht hat und das vom Seminar für Didaktik und Lehrerbildung (GWHS) Meckenbeuren als Projektträger koordiniert wird.

Von dem Vorhaben unabhängig und doch inhaltlich tief verbunden – das ist Band IV der „Meckenbeurer Schriften“, die vom Seminar in der Hügelstraße heraus gegeben werden. „Deutsch als Zweitsprache“ ist es betitelt, Autorin Ingrid Maurer geht der Frage, „warum Migrantenkinder es mit der deutschen Sprache so schwer haben und was Lehrer und Lehrerinnen dagegen tun können“.

Erschreckende Zahlen haben den Impuls gegeben, dass sich die Lehrbeauftragte im Fach Deutsch dem 160-seitigen Werk gewidmet hat (neben der Tätigkeit am Seminar und als Lehrerin in Sipplingen her und bei zwei Stunden Unterrichtsermäßigung in den vergangenen zwei Jahren). Die schlechteren Bildungschancen für jene, die Deutsch als Zweitsprache haben, sind bekannt. Was dies konkret bedeutet, macht aber aufs Neue betroffen. Laut Statistischem Landesamt haben in der Altersgruppe der 30- bis 35-Jährigen ehemalige Schüler mit Migrationshintergrund zu 32 Prozent keinen Berufsabschluss, während dies in der „deutschen Vergleichsgruppe“ nur neun Prozent trifft.

„Für mich als Lehrerin ist das ein Alarmzeichen“, sagt Ingrid Maurer ganz offen. „Im Rahmen der Lehrerausbildung will ich etwas beitragen“, so ihr Entschluss, der sich mit dem Kürzel „DaZ“ und großen Hoffnungen verbindet – mit „Deutsch als Zweitsprache“.

Für Ingrid Maurer wichtig dabei: „DaZ“ habe nicht nur mit Deutsch als Fach zu tun, sondern sei „ein Unterrichtsprinzip“. Grundlegendes Wissen gelte es zu vermitteln, bei einem Kernsatz: „Sprache lernt man am besten durch Kommunizieren.“

Die 160 Seiten enthalten denn auch viele praktische Anleitungen („Bausteine“) für den Unterricht, wohlgemerkt aber keine Arbeitsblätter. Nicht fehlen dürfen die erläuternde Bestandsaufnahme im Kapitel „Menschen mit Migrationshintergrund“ und das Basiswissen zu „DaZ“.

INFO: Zum Verkaufspreis von 22 Euro ist Band IV der Meckenbeurer Schriften am Seminar in der Hügelstraße erwerbbar.

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Südkurier vom 04.02.2014

Lehrervereidigung: Nach der Theorie folgt die Praxis
Meckenbeuren - 115 Lehramtsanwärter werden im Bildungszentrum in Meckenbeuren-Buch vereidigt. Ministerialrat Norbert Zeller weist dabei auf die zunehmende Heterogenität an Schulen hin.

Mit dem Schwur auf Grundgesetz und Landesverfassung begann für die 115 Lehramtsanwärter gestern im Bildungszentrum Buch der Vorbereitungsdienst. Am staatlichen Seminar für Didaktik und Lehrerbildung in Meckenbeuren werden sie von Direktor Karl Handschuh und seinen Kollegen in den nächsten 18 Monaten betreut.
Bild: schwier
 

Jede Menge Glückskekse, nämlich 115, gab es gestern Morgen in der Mensa des Bildungszentrums Buch. Zum Leidwesen der dortigen Schüler allerdings nicht für sie, sondern für 115 Lehramtsanwärter, die die kleinen, teigummantelten Sinnsprüche auf den Sitzplätzen der Mensa vorfanden. Die jungen Pädagogen waren gestern Morgen nach Meckenbeuren- Buch gekommen, um mit ihrer feierlichen Vereidigung in den Vorbereitungsdienst für das Lehramt an Grund-, Werkreal- und Hauptschulen zu starten. „Viel Erfolg wünscht euch Kurs 33“ stand auf den bunten Zetteln, die an den einzelnen Glückskeksen befestigt waren. Mit dieser originellen Geste hießen die „alten Hasen“ des Lehreranwärterkurses von Februar 2013 die neuen Kollegen am staatlichen Seminar für Didaktik und Lehrerbildung in Meckenbeuren willkommen.

Diese hatten zuvor bereits an einem ökumenischen Gottesdienst mit den Schuldekanen Eberhardt und Fussenegger in der St. Verena Kirche in Meckenbeuren-Kehlen teilgenommen. Durch das Programm der kleinen Feierstunde im Bildungszentrum führte Seminarschulrätin Sieglinde Pott, die als erstes den Chor der Albrecht-Dürer Grundschule ansagen durfte. Die kleinen Jungen und Mädchen sorgten mit ihren Piratensongs für Begeisterung bei den künftigen Lehrern. Meckenbeurens Bürgermeister Andreas Schmid griff anschließend in seinem Grußwort die Idee des wogenden, unruhigen Meeres auf. „Unser Schulsystem ist im Moment im Fluss und Sie sind mittendrin.

Das birgt Chancen und Risiken für Sie,“ erklärte Bürgermeister Schmid.

Für ihn sei es auch eine Aufgabe der Lehrer, die Kinder zu Menschen zu erziehen, die später einmal selbst Verantwortung für Gruppierungen übernehmen. „Sie haben die Zukunft unserer Gemeinden in den Händen. Wir überlassen sie ihnen gerne,“ so Schmid. Auch Ministerialrat Norbert Zeller, Leiter der Stabstelle Gemeinschaftsschule/Inklusion im Kultusministerium, wies auf die großen Veränderungen der heutigen Zeit in der Schullandschaft hin. „Sie wählen diesen Beruf in einer Zeit des bildungspolitischen Umbruchs,“ machte Zeller deutlich. Während die Schülerzahlen immer weiter abnähmen, habe die Heterogenität an allen Schulen immer mehr zugenommen. Hier sei die Realschule am heterogensten aufgestellt, informierte Norbert Zeller. Ein Viertel aller Schüler mit Werkrealschulempfehlung besuche dennoch eine Realschule, so Zeller.

Eine Möglichkeit mit der zunehmenden Heterogenität umzugehen, ist für ihn die Einführung von Gemeinschaftsschulen. Auch mit Fragen der Inklusion müssten sich Lehrer in Zukunft verstärkt befassen und diesen Bereich nicht mehr allein den Sonderschulpädagogen überlassen. „Es wird normal sein, dass in jeder Klasse auch ein Kind mit Behinderung ist,“ meinte Ministerialrat Zeller. Allen Lehreranwärtern gab er abschließend auf den Weg: „Haben Sie Mut, mal quer zu denken. Aber haben Sie immer die Kinder als Maßstab im Hinterkopf.“ Bevor Seminardirektor Karl Handschuh die 115 Lehramtsanwärtern am Ende vereidigte, sorgten noch Schüler der zehnten Klasse des Bildungszentrums Buch und Lehreranwärter aus dem Vorgängerkurs 33 für Begeisterungsstürme mit ihren musikalischen Darbietungen.

Der Vorbereitungsdienst
Nach dem Lehramtsstudium an einer Hochschule folgt die zweite Phase der Lehrerausbildung. Die Lehreranwärter unterrichten an einer Schule und werden dabei von den Seminaren für Didaktik und Lehrerbildung durch theoriegeleitete Veranstaltungen unterstützt. Die Verzahnung von Theorie und Praxis steht in diesem Ausbildungsabschnitt an erster Stelle. Die zweite Phase der Lehrerausbildung dauert 18 Monate und wird mit dem zweiten Staatsexamen abgeschlossen. Jedes Jahr im Februar startet ein neuer Lehreranwärterkurs am staatlichen Seminar für Didaktik und Lehrerbildung in Meckenbeuren. Von den 115 Lehramtsanwärtern in diesem Jahr, 15 Männer und 100 Frauen, haben 19 den Schwerpunkt Hauptschule gewählt, die Übrigen den Schwerpunkt Grundschule. Sie werden an 76 Ausbildungsschulen eingesetzt.

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